Ich bin mit der Feuerwehr groß geworden: Mein Vater war Feuerwehrbeamter bei der Berufsfeuerwehr Hamburg. Der schönste Tag im Jahr war die Weihnachtsfeier. Dann durfte ich mit Mutti zur Feuerwehrwache fahren, in der mein Vater stationiert war. Dabei war die eigentliche Feier mit Kaffee und Kuchen unwichtig. Viel toller war es, die Wache zu besichtigen und in die großen roten Autos zu klettern. Manchmal wurde das ein bisschen laut, wenn eins der Kinder den Knopf gefunden hat, mit dem Blaulicht und Horn eingeschaltet werden...
Feuerwehr war mein Traumberuf. Leider wurden Frauen für den aktiven Dienst noch nicht eingestellt, als ich mich für einen Beruf entscheiden musste. Alternativ wäre ich auch zur Polizei gegangen, aber da war die Hürde unbezwingbar: Die weibliche Kriminalpolizei verlangte eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem sozialen Beruf – Krankenschwester, Kindergärtnerin oder Erzieherin – für mich völlig inakzeptable Berufe. Also aus der Traum.
Als ich kurz nach Abschluss meiner Ausbildung zur Bankkauffrau einen netten jungen Mann kennen lernte (mit dem bin ich heute verheiratet), konnte er auf Schlag 100 Pluspunkte sammeln: Henry ist Kamerad bei der Freiwilligen Feuerwehr bei uns im Dorf. Ab sofort war es für mich normal, dass beim Heulen der Sirene Hektik angesagt ist und ich alleine zu Hause sitze. 1984 hatte ich vom Zugucken genug und stellte meinen Antrag zur Aufnahme in die Freiwillige Feuerwehr Börnsen. Bis dahin haben drei Frauen ausschließlich Funkdienst bei der Feuerwehr gemacht. Ich wollte alles, nur Funk erschien mir zu langweilig. Eine der drei Kameradinnen stieg aus, mit den beiden anderen habe ich ein Jahr lang die Anwärter-Ausbildung absolviert.
Im Laufe der Jahre habe ich noch an diversen Lehrgängen teilgenommen, u. a. habe ich eine Ausbildung zum Sanitäter (32 Stunden Lebensrettende Sofortmaßnahmen am Unfallort) und zum Atemschutzgeräteträger (das sind die Maskierten mit Flasche auf dem Rücken). Damit ich auch die großen roten Autos fahren darf, habe ich den Klasse 2-Führerschein für Lkw gemacht. Viele kleine und einige große Einsätze haben inzwischen auch Praxiserfahrung gebracht.
Meinen ersten Großeinsatz werde ich nie vergessen: Im Nachbardorf Escheburg brannte Anfang März 1986 ein Einfamilienhaus bis auf die Grundmauern nieder. Leider konnten wir das Haus nicht retten – bei Temperaturen unter Minus 10 Grad fror das Wasser in den Schläuchen ein. Die Straße, die zu dem Haus führte, war im Laufe der Einsatz-Nacht zu einer einzigen Eisbahn geworden, weil immer wieder Schläuche unter dem Eisdruck platzten. Einen Großteil unserer Geräte und Schläuche mussten wir zurücklassen, weil sie ein- oder festgefroren waren. Nach dem Auftauen haben die Escheburger Kameraden alles auseinander sortiert und uns unsere Sachen natürlich zurückgegeben.
Im Jahr 2002 haben wir ernsthaft überlegt, ob wir die Feuerwehr nicht besser Wasserwehr nennen sollten. Nicht nur das Elbehochwasser hat uns beschäftigt, auch in Börnsen hatten wir eine Menge Einsätze wegen vollgelaufener Keller, überfluteter Straßen, Hochwasser in Entwässerungsgräben und einem abgerutschten Berghang. Insgesamt war das Jahr 2002 mit über 120 Einsätzen ein Ausnahmejahr: Davor hatten wir nur 60 bis 65 Einsätze pro Jahr.
Zu den Einsatzgebieten der Feuerwehr gehören nicht nur Feuer und Wasser. Auch bei Verkehrsunfällen und umgestürzten Bäumen wird die Feuerwehr gerufen. Dem Rettungsdienst (z. B. Rotes Kreuz) helfen wir, kranke Personen durch enge Treppenhäuser zu tragen. Sogar die Polizei braucht hin und wieder unsere Hilfe, um eine verschlossene Tür zu öffnen oder einen trauernden Hund von seinem toten Herrchen wegzulocken.
Bei größeren Veranstaltungen wie Tanzabenden, Konzerten oder Theateraufführungen stellen wir Sicherheitswachen und übernehmen auch Parkplatzeinweisung, Straßensperrungen und Verkehrsregelung.
Feuerwehr macht auch Spaß: bei den Übungsdiensten alle zwei Wochen donnerstags, bei Wettkämpfen, Treffen mit anderen Feuerwehren oder am Tag der Offenen Tür. Nur das Brand löschen hinterher ist manchmal folgenreich...
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Jugendarbeit: Viele der aktiven Kameraden und fast der gesamte Vorstand unserer Feuerwehr haben ihre Grundausbildung in der Jugendfeuerwehr erhalten und sind ihrem Hobby treu geblieben. Es ist schon fast logisch, dass mein Sohn Chris das auch mitmacht. Dadurch wird die familiäre Terminplanung erheblich vereinfacht: Hat die Jugendfeuerwehr etwas vor, sind wir häufig zu dritt unterwegs. Henry als Jugendwart muss sowieso mit, Chris darf als Kamerad mit und ich bin mit den erwachsenen Kameraden dabei.
Weil Feuer natürlich auch gefährlich ist, müssen wir regelmäßig üben. So gibt es seit kurzem einen so genannten Brandcontainer in der Kreisfeuerwehrzentrale in Elmenhorst. Dort wird der gefürchtete Flash-Over nachgestellt. Unter der Anleitung erfahrener Ausbilder wird die Entstehung beobachtet und das Verhalten während des Flash-Overs trainiert. Wenn man weiß, wie ein Flash-Over vor dem Durchzünden aussieht, kann man auch vorher schon etwas tun: mit Wasser die Temperatur senken und das brennbare Gas-Sauerstoff-Gemisch durcheinander bringen. Damit ist die Gefahr schon gebannt.
Zum schönen Abschluss noch eine Anekdote: Aus der Personalabteilung wurde ich gefragt, wann denn mit Feuerwehr-Einsätzen zu rechnen sei. Man müsse ja wissen, wann ich am Arbeitsplatz erscheine und wann mit Verspätung oder gar nicht. Leider kündigen sich Einsätze nur selten in Form von Unwetter- oder Hochwasser-Meldungen an. Meistens erfahren wir von Einsätzen erst dann, wenn der Pieper (korrekt: Funkmeldeempfänger) und/oder die Sirenen Krach machen. Dann heißt es: Alles stehen und liegen lassen und zur Wache sausen, auch mitten in der Nacht oder am Wochenende. Auf Terminpläne nehmen die Einsätze keine Rücksicht!
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